Mountainbikes mit E-Unterstützung waren und sind ein polarisierendes, umstrittenes Thema. Und dies wird sich auch im Jahr 2021 nicht mehr ändern. Dennoch ist das S-WORKS Levo SL eines der Bikes, das das Potenzial hat, die Meinung der Leute über E-MTB’s zu ändern.
Aber bevor wir auch nur eine Zeile über eines der teuersten E-MTB Schmuckstücke verlieren müssen wir uns die Frage stellen ob es überhaupt gerechtfertigt ist, in dieser Zeit für ein Fahrrad einen Preis von über 13.000€ zu rechtfertigen. Wahrscheinlich nicht. Trotz der Behauptungen von E-Bike-Hassern ist dies kein Motorrad. Der patentrechtlich geschützte SL 1.1-Motor im Levo SL, die Software, die ihn steuert, sowie die hervorragende Mission Control Smartphone-App haben zweifellos viel Geld in der Entwicklung gekostet. Aber rechtfertigt dies den Preis eines Kleinwagen?
Spezifikationen S-WORKS Levo SL
- Federweg: 150mm heck // 150mm front
- Wheel Size: 29-inch
- Motor: Specialized SL 1.1 // 240 Watts // 35Nm torque
- Battery: 320Wh + optional 160Wh extender = 480Wh total
- Suspension Design: FSR
- Frame Material: Carbon
- Measured Weight: 38.3-pounds (17.4kg, without pedals)
- Size Tested: Large
- Model Tested: S-Works
- Warranty: Lifetime
- MSRP: $13,525 USD as tested // Models start at $6,500
- More Info: www.specialized.com
Erstkontakt mit dem S-WORKS Levo SL
Das Levo SL ist eines der ersten E-Bikes gewesen, das ein neues Segment markiert. Ein Segment in dem nicht mehr, sondern weniger Leistung zählt. Das Levo SL hat einen leichteren, kompakteren Motor mit weniger Leistung und einen integrierten Akku mit geringerer Kapazität. Zum Vergleich: Das Levo mit voller Leistung hat eine Spitzenleistung von 565 Watt und ist mit einem 700-Wattstunden-Akku gekoppelt, während das Levo SL 250 Watt leistet und einen Akku mit 320 Wattstunden besitzt.
Sollte weniger Leistung nicht weniger kosten? Nicht, wenn sie leicht ist. Wie jeder Mountainbiker weiß, spart man Gewicht nur, wenn man sein Sparkonto leert. Die ganze Idee hinter dem Levo SL war es, das leichteste brauchbare E-Bike zu bauen.
Mit seinen 29-Zoll-Laufrädern und 150 mm Federweg vorne und hinten hat das Levo SL ein sehr ähnliches Profil wie das normale Levo. Dank des SL 1.1-Motors ist der Rahmen des Levo SL jedoch insgesamt schlanker und leichter, was ihm einen sehr diskreten Look für ein e-MTB verleiht, zusammen mit fast 20 mm kürzeren Kettenstreben. Der Akku sitzt oberhalb des Motors im geschlossenen Unterrohr und kann zwar abgenommen werden, aber dazu muss der Motor erst abgeschraubt werden.
Das Sidearm-Chassis wurde auf der Grundlage der bei der Entwicklung des aktuellen Stumpjumper gewonnenen Erkenntnisse entwickelt, und die gleiche grundlegende Rahmenform wird auch beim Levo SL verwendet. Die Grundform des Rahmens wurde auf das Levo SL übertragen, mit einer verstärkenden asymmetrischen Strebe, die den Stoßdämpfer auf der Antriebsseite versteckt.
Ausstattung des S-works Levo
S-Works ist das, was man als die Speerspitze der Technologie bezeichnen muss. So wie es bei BMW die M-Power Sparte, bei Mercedes AMG oder bei Audi die S-Line ist. Teuer, Kraftvoll und bei der Ausstattung wurde einfach nur der große Haken gemacht.
Beim S-Works Levo muss man allerdings abstriche machen. Und ehrlich gesagt versteht man nicht wirklich warum. Bei einem fünfstelligem Listenpreis für ein Bike dürfte man die höchste Ausbaustufe jeder Technologie erwarten. Daher ist es unverständlich zu sehen dass Specialized nur nur Eagle XX1 gegriffen hat anstatt zur kabellosen AXS XX1 Version.
Nichts desto trotz ist die kabelgebundene SRAM Eagle nicht schlechter in der Performance. Es fehlt, ausstattungstechnisch allerdings das kleine i-Tüpfelchen.
- Batterie Specialized SL1-320, fully integrated, 320Wh
- Motor Specialized SL 1.1, custom lightweight motor
- Gabel: FOX Factory 34 FLOAT 29, Kashima Coating, FIT4 damper, 51mm offset, 3-position adjustment, 15x110mm, tapered alloy steerer, 150mm of travel
- Felgen Roval Traverse SL 29, hookless carbon, 30mm inner width, 2Bliss Ready, hand-built, 28h
- Lenker Specialized Trail, FACT Carbon, 6-degree upsweep, 8-degree backsweep, 27mm rise, 780mm, 31.8mm
- Vorbau Syntace MegaForce 2, 6-degree, 31.8mm clamp
- Sattelstütze RockShox Reverb AXS, 30.9mm, S: 125, M:150, L/XL: 170mm
- Kassette SRAM XG-1299 Eagle, 10-50t
- Hebel SRAM XX1 Eagle, trigger, 12-speed
- Rear Derailleur SRAM XX1 Eagle, 12-speed
- Chain SRAM XX1 Eagle, 12-speed
- Crankset Praxis, carbon M30, custom offset
- Bremse SRAM G2 ULTIMATE, 4-piston caliper, hydraulic disc, 200mm (Vorne) 180mm (hinten)
Ebenfalls eigenartig, dass man bei Specialized immer noch auf Bremsen aus dem Hause SRAM vertraut. Gerade bei schwereren Bikes greift fast jeder Fahrer zu einer bissigeren Bremse mit mehr Kraft. An dieser Stelle besteht also noch ein wenig Optimierungsbedarf. Schade, wenn man den Preis bedenkt. Allerdings bieten viele Shops noch nachträgliche Anpassungen an.
Während das Specialized Gravity Team um Weltmeister Loic Bruni auf die Bremspower aus Bad Urach vertrauen, muss man als Specialized Normalo Kunde auf die G2 Ultimate vertrauen. Hier wäre ein Upgrade auf die MAgura MT7 oder MT5 sicher ein logisches Vorgehen.
Während auf rechten Lenkerseite der klassische Kabelsalat durch Brems und Schaltzüge zu finden hast. Findet man auf der linken Seite eine Marie-Kondo hafte Ordnung dank der Reverb AXS. An dieser Stelle war es Specialized anscheinend wert zu einem Upgrade zu greifen anstatt zur hauseigenenen Command Post Variante.
Auch ästhetisch sieht es bemerkenswert normal aus. Wäre der Motor völlig geräuschlos – was er trotz Specializeds Werbetext nicht ist -, wäre es für andere Trail-Besucher schwer, den Unterschied zu erkennen. Der Akku ist komplett im Inneren untergebracht, der Tretlagerbereich, in dem sich der Motor befindet, ist optisch immer noch kleiner als bei vielen normalen Mountainbike-Rahmen, und es gibt keine klobige Steuereinheit am Lenker, wie bei den meisten E-Bikes, sondern nur ein schlankes kleines Set von Tasten zum Hoch- und Runterfahren (und zur Unterstützung beim Gehen) am linken Griff. Es gibt sogar einen Tarnmodus, bei dem die Leistungs- und Akkustandsanzeigen auf dem Oberrohr ausgeschaltet werden. Dies sind alles direkte Vorteile, die Specialized und seine Partner bei der Entwicklung eines eigenen Antriebs erzielen, anstatt ein vorhandenes Aggregat aufzuschrauben.
Auf dem Trail mit dem S-WORKS Levo SL
In Ermangelung von Alpenpanorama und saftfressenden langen Anstiegen ging es, wie es für das Ruhrgebiet üblich ist, auf die Halden. Viele Kurze Anstiege. Viele, noch kürzere, Abfahrten. Trocken und staubig mit dem typischen “Haldenboden” mit Trails, die von schnellen Hardpack-Achterbahn-Singletracks bis hin holprigen und rauen Abfahrten reichten. Dies bot eine gute Gelegenheit, die technischen Fähigkeiten des neuen Bikes zu testen und gleichzeitig ein Gefühl für die Leistung des SL 1.1-Motors auf dem Trail und die Reichweite des Akkus zu bekommen.
Specialized schätzt, dass die meisten Fahrer mit dem internen 320-Wh-Akku des Levo SL etwa eine Stunde im Turbo-Modus und bis zu drei Stunden im Eco-Modus fahren können. Das hängt natürlich vom Gewicht des Fahrers ab und davon, wie viele Höhenmeter man zurücklegt. Es hängt auch davon ab, wie stark Sie den Motor belasten – es ist immer noch möglich, das Levo SL im Turbomodus sanft zu treten und den Motor den Großteil der Arbeit machen zu lassen.
Ich bin die meiste Zeit in den Modi Trail und Eco gefahren, in denen sich die Kraftübertragung natürlicher anfühlt. Im Eco-Modus muss man sich ziemlich anstrengen, um ein vernünftiges Tempo zu fahren. Es ist auch möglich, die Leistungsabgabe aller drei Unterstützungsmodi über die Mission Control App zu verändern. Wer sich also maximal anstrengen möchte, um die maximale Reichweite aus dem Akku zu holen, kann sowohl die Unterstützungsstufe als auch die Spitzenleistung unabhängig voneinander einstellen.
Ich bin mit der Erwartung in den Test gegangen, dass sich das LEVO SL wie das normale Levo fährt. Sowohl bergauf als auch bergab. Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass ich mit einem Stumpjumper mit E-Unterstützung den Trail entlang schieße. Die Kettenstrebenlänge von 437 mm ist kürzer als die des normalen Levo (455 mm) und kürzer als die der meisten Mitbewerber. Es ist die gleiche Länge wie die des Stumpjumper, und es ist ein wichtiger Grund, warum das Levo SL so lebendig auf dem Trail ist.
Aber bringt der kleinere Motor auch genug Leistung, damit sich die ganze Sache lohnt? Die kurze Antwort lautet ja. Und die lange Antwort auch. Ja, 250 Watt sind genug Leistung, um selbst die steilsten Anstiege zu meistern. Es ist sogar genug, um Steigungen zu bewältigen, die mit einem normalen Fahrrad nicht fahrbar wären.
Obwohl sich das Levo SL in mancher Hinsicht als eines der progressivsten Mountainbikes seiner Zeit erweisen könnte, passt die Geometrietabelle nicht unbedingt dazu. Der Reach ist für 2021er Verhältnisse ausgesprochen kurz, ebenso wie der lockere 74,5-Grad-Sitzwinkel. Obwohl sich das Cockpit durch den flachen Winkel angenehm und geräumig anfühlt, habe ich mich einfach daran gewöhnt, auf einem viel steileren Sitzrohr zu sitzen, und das gefällt mir sehr.
Die leichte Frontpartie trägt ebenfalls dazu bei. Das intuitive Lenkgefühl wird durch den serienmäßigen Gabelversatz von 51 mm und einen nicht allzu lockeren Lenkwinkel von 66° gewährleistet. Ohne Tandem-Radstand verlangt das S-WORKS Levo SL nicht nach einer übertriebenen Fahrweise. Es ist ein leicht zu handhabendes Rad mit perfekter Gewichtsverteilung und natürlicher Agilität.
Und jetzt kommt’s. Ich finde, es fährt sich besser als das Stumpjumper. Der Grund dafür? Es ist schwerer. Mit einem Motor und einem Akku an Bord wiegt das Levo SL-Chassis ein paar Kilo mehr, und das macht es auf dem Trail zu einem satteren Bike, das bei rasanten Abfahrten viel Schwung mitnimmt. Es ist gerade genug Gewicht vorhanden, um die Stabilität spürbar zu verbessern, aber nicht so viel, dass das Handling darunter leidet. Es ist ein bisschen so, als würde man ein stämmiges Enduro-Bike fahren, nur dass es viel einfacher ist, die Hügel hinaufzusteigen.
Auf der anderen Seite gibt es viel Positives über das Fahrverhalten dieses Bikes zu berichten. Es navigiert mit Präzision durch kurviges Terrain, wird aber bei Warp-Geschwindigkeit nicht zu nervös. Außerdem fühlt es sich ausgewogen an. Es ist einfach, in die Front zu drücken und Grip zu bekommen, oder die Fersen einzutauchen und in ein Manual hochzuziehen. Es ist schwer, über Specializeds Entscheidungen zu streiten, wenn sich das Bike in den meisten Situationen so gut verhält wie hier.
Fazit zum S-WORKS Levo SL
Mit dem Levo SL hat Specialized ein komplett neues Genre erfunden: Ultra Leichte E-MTBs mit weniger Leistung. Es war zwar nicht die erste Marke, die dies tat, aber sie hat mit ihrem selbst entwickelten SL 1.1 Motor- und Batteriesystem das bisher größte Engagement für das Konzept gezeigt. Der neue Motor bietet eine nahtlose Leistung, und seine kompakte Größe bietet einen bedeutenden Verpackungsvorteil, um die Geometrie eng zu halten.
Aufgrund des geringen Gesamtgewichts des Bikes und des kurzen Hinterbaus ist das Handling hervorragend. Es ist wendig und leicht zu fahren, bietet aber dank der zusätzlichen Masse von Motor und Akku die Stabilität eines größeren Enduro-Bikes. So gesehen ist Specialized nicht so sehr besorgt, dass das Levo SL die Levo-Verkäufe beeinträchtigen könnte, denn E-MTB-Fahrer, die maximale Leistung und Reichweite für größere und steilere Abfahrten benötigen, werden sich weiterhin für das Levo entscheiden. Stattdessen macht man sich eher Gedanken darüber, was das S-WORKS Levo SL für den Stumpjumper bedeutet.
Sicherlich stellt das Levo SL eine überzeugende Option für diejenigen dar, die nicht den ganzen Tag mit dem Turbo herumfahren müssen, und sein geringes Gewicht und sein schlankes Design könnten ausreichen, um Trail-Fahrer anzulocken, die von den bestehenden E-MTBs auf dem Markt nicht in Versuchung geführt wurden. Es ist das ‘normalste’ e-MTB auf dem Markt.
Ich persönlich bin gespannt, wie andere Marken auf dieses Rad reagieren, da das S-WORKS Levo SL so etwas wie eine Weggabelung in der e-MTB-Entwicklung darstellt. Werden wir in Zukunft sehen, dass andere Marken versuchen werden, ihr Angebot zwischen leistungsstarken e-MTBs mit großem Akku und leichten e-MTBs mit geringer Leistung aufzuteilen? Nur die Zeit wird es zeigen, aber eines ist sicher – Specialized wird nicht langsamer werden.
Überblick S-WORKS Levo SL
Pro
- Unglaublich Agil auf dem Trail
- Leise und Kraftvoll
- Ein E-Bike, das keins sein möchte
Contra
- Schwachpunkte in der Austattung (Fox34, Kein AXS)
- Preis in der S-Works Variante ist nicht erklärbar