Seit Jahren ist SRAM dafür bekannt, die technischen Limits der Schaltung an die Grenze zu bringen. In den letzten 10 Jahren haben die Masterminds aus dem European Development und Training Center in Schweinfurt dafür gesorgt, dass wir den Umwerfer begraben durften, mit der SRAM Eagle eine Bandbreite von 520% genießen durften, endlich wireless elektrisch Schalten und letztes Frühjahr kam die brandneue Transmission.
All diese kleinen und großen Änderungen die uns jeden Tag im Bikealltag begleiten entstammen aus der Feder der Ingenieure in Schweinfurt. Die jeden Tag für das Produkt brennen und Herzblut und jede Menge Ideen in die neuen Produkte von SRAM bringen.
Inhalt
Wir waren einen Tag bei SRAM zu Gast und haben den Ingenieuren über die Schulter geschaut.
Historie am Standort Schweinfurt
In den verschlungenen Pfaden der Industriegeschichte Schweinfurts spielen Sachs und SRAM eine bedeutende Rolle. Ihre Anfänge reichen weit zurück, in eine Ära, in der die Stadt als „Schweinfurt am Main“ bekannt war und sich als Zentrum der deutschen Kugellagerindustrie etablierte.
Schweinfurt, Silicon Valley der Kugellager
Die Geschichte von Sachs beginnt im 19. Jahrhundert, als Ernst Sachs die „Schweinfurter Präzisionskugellagerwerke Fichtel & Sachs“ gründete. Die Firma florierte und wurde schnell zu einem der führenden Hersteller von Kugellagern und Fahrradkomponenten. Die Marke Sachs wurde weltweit für ihre Qualität und Innovation bekannt.
Währenddessen entwickelte sich SRAM in den späten 1980er Jahren in Chicago, USA, als Fahrradkomponentenhersteller. SRAM revolutionierte die Fahrradindustrie mit seiner bahnbrechenden Grip Shift-Technologie, die das Schalten auf dem Fahrrad vereinfachte und verbesserte.
Die Übernahme von SRAM
Die Wege von Sachs und SRAM kreuzten sich, als SRAM 1997 die Fahrradkomponentensparte von Sachs übernahm. Diese Übernahme markierte einen Meilenstein in der Geschichte beider Unternehmen und festigte ihre Position in der globalen Fahrradindustrie.
In Schweinfurt etablierte sich SRAM als wichtiger Arbeitgeber und setzte die Tradition von Sachs fort, hochwertige Fahrradkomponenten herzustellen. Die Stadt profitierte von der Präsenz dieser renommierten Unternehmen, sowohl wirtschaftlich als auch kulturell.
Im Laufe der Jahre haben Sachs und SRAM ihre Produktlinien erweitert und innovative Technologien entwickelt, die die Grenzen des Fahrradbaus neu definieren. Von hochpräzisen Schaltwerken bis hin zu robusten Kurbelgarnituren haben beide Marken dazu beigetragen, Schweinfurt als einen wichtigen Standort in der globalen Fahrradindustrie zu etablieren.
Mobilitätslösungen und Soziales Engagement
Heute sind Sachs und SRAM nicht nur Hersteller von Fahrradkomponenten, sondern auch treibende Kräfte hinter der Entwicklung nachhaltiger Mobilitätslösungen und Befürworter eines aktiven Lebensstils. Durch ihre fortwährende Innovation und ihr Engagement für Qualität und Leistung bleiben sie Schlüsselakteure in der Fahrradbranche, sowohl in Schweinfurt als auch weltweit.
Der „World Bicycle Relief“ (WBR) ist eine gemeinnützige Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und wirtschaftlichen Chancen durch den Einsatz von Fahrrädern in Entwicklungsländern zu verbessern. Der World Bicycle Relief wurde 2005 von F.K. Day, einem der Co-Gründer von SRAM, and Leah Missbach Day gegründet. Daher rührt auch die starke Verzahnung zwischen SRAM und dem WBR.
Durch großzügige Spenden von Geldern und Fahrradkomponenten unterstützt SRAM die Mission von WBR, indem sie robuste und langlebige Fahrräder bereitstellen, die das Leben von Menschen in entlegenen und benachteiligten Gemeinschaften nachhaltig verändern. Diese Zusammenarbeit zwischen SRAM und WBR zeigt das Engagement des Unternehmens für soziale Verantwortung und sein Bestreben, positive Veränderungen durch den Einsatz von Fahrrädern zu bewirken.
Die Entstehung der Transmission
Die SRAM Transmission AXS ist der neueste Clou aus dem Hause SRAM. Aber was passiert mit einer Schaltung die bisher noch nicht das Licht der Welt erblickt hat, beziehungsweise nicht das Reissbrett des Think Tanks verlassen hat?
Mission TOPGUN!
Bevor wir Anfang 2023 die erste Transmission in der Hand halten konnten, passierte einiges in den heiligen Hallen in Schweinfurt. Auf unserer Tour durch das Schweinfurter Werk von Big Red verfolgen wir den Weg der Ideen um das aktuelle Schaltungsflagschiff. Von den Problemen der Nutzer mit der aktuellen Schaltung, über den Musterbau bei dem erste Ideen zu echten benutzbaren Mustern werden bis hin zur Messtechnik in der auch minimalste Materialprobleme aufgedeckt werden. Und wenn das Produkt dann live gegangen ist, von uns Fahrern über die Trails getrieben wurde landet es irgendwann beim Service und den aus der SRAM University geschulten Mechanikern deines Lieblingsbikeshops.
Ideen werden Realität: Der Musterbau
Im Musterbau werden aus den Ideen der Ingenieure, das erste Mal echte Produkte zum anfassen und Fahren. Das Team rund um Michael Jakob und seinem Stellvertreter, Matthias Rüttiger, der uns durch die verschiedenen Stationen führte, ist gut durchmischt aus den erfahrenen alten Hasen und den frischen young Guns.
Ist das Kunst oder CNC Fräsporn? Dem geübten Auge dürfte hier schon auffallen um welches Teile es geht. Hier wird der Schaltwerkskäfig der Transmission aus einem Aluminiumblock gefräst. So kann man schnell und einfach aus seinem 3D Programm wie beispielsweise AutoCAD ein echtes Muster erschaffen und es in der Mittagspause beim Lunchride Testen um so festzustellen ob die Gewichtsersparnis zu lasten der Robustheit leiden musste.
Und selbst die wildesten Wünsche der Radprofis können bei SRAM erfüllt werden. Quizfrage: Was haben wir hier in der Hand?
a.) Einen Custom Falschenöffner für’s Afterride Getränk
b.) Eine Spacerplatte um verschieden lange Beine auszugleichen
c.) Ein Prototyp der neuen Transmission Gürtelschnalle
d.) Einen streng geheimen SRAM Unterbodenschutz mit Garmin Mount
Auflösung gibt’s am Ende des Artikels. 😆
Das SRAM Testlab
Der Standort Schweinfurt ist für SRAM ein ganz besonderer. Es ist nicht die größte Fertigungsstraße oder das markante Headquarter, stattdessen beherbergt der ehemalige Sachs Standort eines der größten SRAM Testlabore. Der Fokus liegt, wie sollte es mit der Historie nun auch anders sein, auf Antriebskomponenten. Das Herzstück für alle Arten von Material-Qualen um neue Beschichtungen oder Prototypen aus dem Musterbau an ihre Grenzen zu führen.
Natürlich kann man für solch speziellen Komponenten die verschiedenen Teststationen nicht einfach „von der Stange“ kaufen. Das Ingenieursteam bei SRAM entwickelt und baut daher die meisten Prüfstände selbst und programmiert auch die entsprechende Software selbst um eben jene Qualitätsstandards zu gewährleisten die man von SRAM kennt. Daher werden die Prüfstände auf die verschiedensten Belastungsarten ausgelegt – von Festigkeit, Langlebigkeit oder Robustheit werden alle (realen) Szenarien simuliert.
Soviel zu der Theorie, in Zahlen bedeutet das, dass 2023 satte 5000 Tests durch die Stationen gelaufen sind. Im Detail splitten sich diese Tests in 80% neue Teile, 10% Benchmark und 10% Serienüberwachung aus.
(Test)Chamber of Horrors
Die eben erwähnten 5000 Tests pro Jahr erstrecken sich auf die wildesten Geräte die man sich vorstellen kann. Haben die Ingenieure eine Maschine gebaut, die simuliert wie oft ein Button am neuen SRAM AXS Pod gedrückt werden kann? Natürlich ja! Gibt es einen Wassertank in dem elektronische Schaltwerke und Remote’s versenkt werden können? Selbstredend. Auf alles was mit euren SRAM Komponenten auf dem Trail passieren kann, gibt es einen Prüfstand.
Highlight war ein Teststand auf dem die neue Transmission unter wechselenden Bedingungen getestet worden ist. Inklusive Trockenfahrt, einer simulierten Trailtour im Regen und unter den verschiendesten äusseren Einwirkungen von DIN genormtem Dreck. So können auch verschiedene Arten von Staub und Dreck hinzugefügt werden um verschiedene Regionen zu simulieren.
Mit der Transmission hat SRAM den Fokus auf die Schaltvorgänge gelegt und natürlich hat es nicht lange gedauert bis die findigen SRAM Ingenieure auch dafür einen frischen Prüfstand erfunden hatten um die Qualität der Schaltvorgänge zu testen – gerade eben weil die neue Transmission viel mehr Wert auf die Qualität und Funktionsweise der einzelnen Schaltwege legt.
Auf echten Trails getestet – Lunchrides bei SRAM
Letzten Endes kann sich SRAM aber auch auf eine unglaubliche interne Fanbase verlassen. Was nützt es, wenn in der Theorie ein neues Produkt perfekt funktioniert. Was ist, wenn der neue Antriebsstrang alle Tests im Labor übersteht, und man mit DIN-Schmutz, Unterwasser Experimenten und Endurance Tests simuliert, wie Eine Schaltung oder ein kompletter Antriebsstrang verschleißen kann. Dann hat man immer noch eine große Variable: Die Realität.
Intern hat SRAM eine ausgeprägte Lunchride Kultur etabliert an der sich jeder am Standort einbringen kann. So geht es in der Mittagspause für Ingenieure, Dreher, Marketeer und alle anderen SRAMmies in den, etwa 30 Fahrradminuten entfernten, Schweinfurter Stadtwald um neue Energie zu tanken und natürlich auch der ein oder andere Neuerung auf den Zahn zu fühlen.
Über die Jahre hat sich eine Truppe von 50(!) Lunchridern bei SRAM etabliert und wer mag, darf sich auch am hauseigenen Testing Programm „Blackbox“ beteiligen. So stellt SRAM sicher, dass jede Komponente nicht nur extrem viele Stunden im Testlab auf dem Buckel hat sondern eben auch auf dem Trail. Für die Auswertung gibt es eine eigene Datenbank in der Art und Hergang eines Fehlers niedergeschrieben werden und zu weiteren Analyse ins System gebracht werden.
Durch das Zusammenspiel aus Eindrücken von echten Fahrern und reellen Problemen auf dem Trail und den abertausenden simulierten Kilometern in den Prüfständen ergibt sich ein engmaschiges Netz aus Fehlern und Problemen in der hauseigenen Datenbank. So können Ingenieure früh handeln und mittels Double Diamond Testprinzipien in jeder Iteration wachsen und Fehler ausmerzen.
Black Magic im Messlabor
Vollkommen unscheinbar zwischen dem pompösen Testlab und dem innovativen Musterbau versteckt sich ein nicht minder wichtiges Puzzleteil im SRAM Kosmos. An der Stelle ist Puzzleteil vielleicht die falsche Formulierung, besser passt natürlich die Metapher mit den Zahnrädern die ineinander greifen. Wo wir dann auch direkt beim Thema wären: Wie sorgt man dafür dass die Zahnräder auch noch nach tausenden von Kilometern möglichst verschleißfrei ineinandergreifen?
Im Messtechniklabor hat man diverse Möglichkeiten um zu evaluieren, warum gewisse Teile versagen oder warum sie sich an gewissen Stellen schneller abnutzen. Mittels Lichtwellenverfahren wird ein 3D Modell der Kassette generiert und dann im Nachhinein mit dem Orginal übereinandergelegt. Somit kann man den Grad der Abnutzung des Ritzelpaketes messen.
Wer es noch abgefahrener wünscht, findet im Prüflabor auch einen 5-Achsen Messkopf der jede beliebige Form abfahren kann und daraus ein 3D Modell generieren kann. So können z.B. Naben bis auf den Mikrometer genau abgebildetet werden
STU – Die SRAM Technical University
Ein, nicht unwesentlicher aber trotzdem oftmals vernachlässigte Teil der Entwicklung sind Schulung und Reperatur. SRAM hat am Standort Schweinfurt den größten Schulungsstandort für den deutschsprachigen Raum für alle Händler. Dort werden alle Schulungen vor Ort und mittlerweile sogar als Webinar durchgeführt.
Ziel ist es, den Fahrradhändlern und vor allem den Mechanikern umfassende Fähigkeiten und Wissen um alle Produkte der SRAM Familie zu liefern. Besonderer Wert wird hierbei auf Funktionen, Vorteile, Installation, Wartung und Reparatur gelegt. Durch die Verbindung von Theorie und Praxis schafft man eine Community von Fachleuten die die Kundenzufriedenheit steigern und Spitzenleistungen in der Fahrradbranche vorantreiben.
Direkt neben der STU befindet sich der hauseigenene Reparaturservice mit dem ihr vielleicht schon einmal Kontakt hattet. SRAM hat sich hierbei auf die Fahne geschrieben, dass alle Komponenten die Ihr bei eurem Händler zur Reparatur einschickt innerhalb von drei Arbeitstagen bearbeitet werden und wieder zurück zu eurem Händler gehen. So könnt ihr, im Optimalfall, nach einem Defekt am Wochenende, sorgenfrei am kommenden Wochenende aufs Rad steigen.
Neben dem Serviceaspekt spielt auch Überwachung ein großes Thema. Treten vermehrt die selben Defekte auf, dann hat man ein erstes Indiz dafür, dass die Qualitätskontrolle nochmal ein Auge darauf werfen sollte. All diese Daten wandern natürlich auch in die QA Biblilothek aus dem Testlab. So kann auch frühzeitig eine fehlerhafte Komponente erkannt werden und ggf zum Rückruf ausgeschrieben werden.
Epilog
Natürlich hat man eine grobe Ahnung dass viel Herzblut und Hirnschmalz in den Komponenten steckt. Wieviel jedoch wirklich in der Entwicklung, wie zum Beispiel der Transmission steckt hätte man nicht erahnen können. Die unterschiedlichen Units, so verschieden sie auch sind, arbeiten wie ein Uhrwerk und partizipieren von Erfahrungen und Entwicklungen anderer Units.
Wer jetzt Lust bekommen hat, als Mitglied der SRAM Familie an den Lunchrides teilzunehmen und in der Arbeitszeit dabei mitzuhelfen, die nächste Gamechanger Komponente zu entwickeln, der findet im Karriereportal immer ein paar offene Stellen.
Achja und dann waren wir euch natürlich noch die Auflösung des „Rätsels“ schuldig. Selbstverständlich war es Antwort b.). Die Spacerplatte wurde extra für einen Tour de France Fahrer angefertigt um eine unterschiedliche Bein länge auszugleichen.
Text & Bilder: Sven Schebaum, Daniel Osorio Fernandez, Rupert Fowler
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