Leider stimmen die ganzen dummschwätzer Sprüche a la „wer später bremst ist länger schnell“ oder „Geschwindigkeit gibt Sicherheit“. Aber immer wird außer acht gelassen wird, wie wir das erreichen. Wir geben Unsummen für das perfekte Fahrwerk aus. Laufräder und Inserts sind eine Wissenschaft für sich geworden. Aber die an sich Bremse wird sträflich vernachlässigt.
Und wenn dann ist meistens das Argument, dass man eine Bremse mit 4 Kolben braucht. Aber wie genau setzt sich eigentlich „Bremskraft“ zusammen? Die Bremse ist ein Zusammenspiel von diversen Komponenten die, wenn sie gut aufeinander abgestimmt sind, das Rad optimal verzögern. Wir haben uns einmal angeschaut wie man seine Bremse optimieren kann – ohne gleich eine komplett neue Bremsanlage zu kaufen.
Inhalt
Bremsscheibe
Wie unterscheidet man eigentlich Bremsscheiben? Was ist wichtig? ist größer wirklich besser? und wie bleibt die Performance gut? Fangen wir bei der Größe an. Noch vor ein paar Jahren galt die 203mm Magura Scheibe als das Größte. Mittlerweile sind 200mm Scheiben allerdings zum einhelligen Bergabstandard geworden. Wer es allerdings extremer braucht, für den gibt es Mittlerweile auch 220mm Scheiben die noch einmal ein Extra an Power liefern.
Ein größerer Rotor verleiht dem Bremssattel eine größere Hebelwirkung auf das Rad und bietet einfach mehr Leistung. Außerdem beiten sie eine größere Oberfläche, um die Wärme zu verteilen, was zu weniger Fading führt. Größere Bremsscheiben sind jedoch schwerer und können sich leichter verbiegen, wenn sie auf der Strecke mit Gegenständen in Berührung kommen oder wenn das Fahrrad nicht sorgfältig transportiert wird, obwohl die meisten Fahrer mit großen Bremsscheiben das Risiko für wert halten.
Aber nicht alle Fahrer und Fahrerinnen brauchen soviel brachiale Verzögerungskraft. Leichtgewichte könnten dort auch nochmal Gewichte sparen indem Sie zur 180er Scheibe greifen. Denn Tatsächlich kam der Trend zu größeren Scheiben erst in den letzten Jahren auf. Mit dem Eintreten der E-Bikes auf den Markt wurde auch das Bedürfnis von Bremspower auch bei Otto-Normal-Fahrern geweckt. Noch 2016 wurde beispielsweise eine Fox36 Factory mit einer 160mm Postmount Aufnahme gebaut. Eine aktuelle ZEB (Die RockShox ZEB im Test) gibt es nicht unter 200mm Postmount Aufnahme.
Doch zurück zur Scheibengröße: Was macht den Ausschlag? Es kommt immer auf die folgenden drei Gesichtspunkte an. Es entscheiden Fahrergewicht und Einsatzzweck. Bringt man diese in Kombination miteinander hat man eigentlich die gewünschte Bremsscheibengröße gefunden. Beispiel gefällig?
Ein Leichtgewicht auf dem Downcountry Bike ist mit einer 180mm Scheibe bestens ausgerüstet. Ebenso ist es für das Leichtgewicht im XC Bereich vollkommen ausreichend auf eine 160mm Scheibe zu gehen. Der 100kg Fahrer hingegen wäre, Performance technisch betrachtet, vollkommen underpowerd.
So eins sich die verschiedenen Hersteller bei den Größe sind, so unterschiedlich sind die kleinen Tipps und Tricks zur Wärmeableitung. So setzt zum Beispiel Galfer auf kleine Haifischflossen um die Wärme abzuleiten. Magura hat bei seinen MDRP Scheiben einen inneren Ring, ähnlich wie Shimano oder Hope um so die Bremsen auf Temperatur zu halten. SRAM hat an dieser Stelle auf eine wärmeableitender Seite der Scheibe aufgestellt.
Die neue HS2 Bremsscheibe wurde entwickelt, um die Bremsleistung zu verbessern und gleichzeitig die Geräuschentwicklung zu reduzieren und die Wärmeableitung zu optimieren. Ausgestattet mit einem neuen Profil für eine bessere Traktion der Bremsbeläge und versenkten Speichen mit wärmeableitender Beschichtung.
In Sachen Pflege sollte man es natürlich vermeiden, die Scheibe mit Ölen oder Fetten in Berührung kommen zu lassen. Das sollte bekannt sein. Des Weiteren sollte man es vermeiden, die Bremse mit Bremseneiniger zu reinigen. Dadurch entfernt man genau das Material das man mühselig mit dem Bremsbelag aufgetragen hat.
Profi Tipp: Wer seinen Rotor von Dreck und Schmand reinigen möchte, der kann im Supermarkt zu den kleinen Stahlwolle Pads greifen die eigentlich für den Backofen gemacht sind.
Bremsbelag
Bei der Wahl des Bremsbelags hat man zwei Optionen die unterschiedlicher nicht sein könnten und dementsprechend auch für verschiedene Einsatzzwecke gedacht sind. So kann man zu einem organischen Belag greifen oder zu einem metallischen Belag.
Organische Bremsbeläge bestehen in der Regel aus faserigen Verbundstoffen wie Carbon oder Plastik die mittels Harz verklebt werden und somit zu einem festen Block werden. Optimaler weise funktionieren organische Beläge bei trockenen Bedingungen und Brems-armen Strecken bei denen die Beläge keiner größeren Hitzeentwicklung standhalten müssen. Organische Bremsbeläge sind besser dosierbar als metallische, bieten jedoch weniger Bremsleistung und nutzen sich etwas schneller ab. Die Geräuschentwicklung bei Nässe und die thermische Belastung der Bremse ist geringer als bei metallischen Belägen.
Hingegen sind metallische, im Sprachgebrauch besser bekannte als gesinterte Beläge, optimal für dich, wenn es nasser wird oder wenn du absehen kannst, dass es zu außergewöhnlicher Hitzeentwicklung kommen sollte. Der Nachteil daran ist eine mögliche Geräuschentwicklung oder das klassische Quietschen der Bremsen. Allerdings ist die Performance an dieser Stelle das ausschlaggebendere Kriterium.
Auf dem Trail machen sich die unterschiedlichen Beläge dann schnell bemerkbar. Während man bei gesinterten Belägen das Gefühl hat einen sehr knackigen Bremspunkt zu haben ist bei organischen Belägen der Bremspunkt eher weicher. Wer also Fan der analogen On/Off Bremsweise ist wird hier glücklich. Bei organischen Belägen hat man einen weicheren Bremspunkt der es möglich macht, die Bremse besser zu dosieren.
Das wichtigste hingegen ist das richtige einbremsen deiner Bremsbeläge. Beim Einbremsen ist es nicht das Ziel deine Beläge und Scheibe auf die Maximaltemperatur zu fahren sondern um eine Symbiose zwischen Scheibe und Belag zu bilden. Ihr müsst also etwas vom Belag auf die Scheibe bremsen. Dabei bremst ihr sanft von 20km/h auf ebener Strecke herunter bis ihr merkt, dass die Bremse „zupackt“. Damit verteilt ihr gleichmäßig den Belag auf der Scheibe. Blockiert ihr die Bremse, wird der Belag nur auf einer Stelle gedrückt was zu einer Unwucht und im schlimmste Falle zum nervigen Quietschen führen soll.
Mehr Performance herausholen
Doch was ist die Black Magic hinter dem ganzen? Das schöne an der Physik ist, dass sie nicht Markengebunden agiert. Egal ob Magura, Shimano, Trickstuff oder SRAM. Es greifen immer die selben Gesetze und Wege um Performance zu verbessern. Und oftmals ist es einfach ein falsches Setup oder eine unsachgemäße Montage die eurer Bremse so die Zähne zieht.
Festsitzende Kolben
Da hat man schon die Kraft der vier Kolben und trotzdem lahmt eure Bremse? Vielleicht fahren nicht alle Kolben gleich schnell aus? Dreck und Belagsabrieb sorgen für Verunreinigungen am Kolben. Das kann dazu führen, dass der Kolben nicht ausfährt oder sich im zweifelsfalle sogar verkantet. Reinigt eure Bremse daher regelmäßig. Und nein, nur Mucoff und Bremsenreiniger in den Kolben sprühen ist keine Reinigung 😉 Es ist wichtig, dass ihr nicht mit Ölen oder Kriechstoffen an die Kolben heran geht. Wichtig ist nur, dass Dreck und Bremsbelagreste entfernt werden, so dass es zu keiner Verunreingung kommen kann.
Beläge reinigen
Im ersten Moment klingt das sehr abstrus. Und niemand sollte jetzt an dieser Stelle losrennen und den Belag mit Seife, Schwamm und Bürste reinigen. Stattdessen langt es vollkommen wenn man die Beläge unter Wasser abspühlt und die Belagsschichten aneinander reibt so dass sich der grobe Schmutz entfernt. Den gereinigten Belag könnt ihr ganz normal wieder einbauen.
Viel Hilft viel
Sobald es Bergab geht, habt keine Hemmung groß zu denken. Ein 220mm Rotor wiegt vielleicht 30g mehr. Bleibt aber länger kühl und führt zu weniger Fading. Durch den größeren Radius ist die Hebelwirkung der größeren Scheibe natürlich höher und ihr verzögert richtig.
Kombiniert mal was!
Was in der front funktioniert muss nicht zwingend auch am Heck für euch funktionieren. Gerade wer längere Downhill Passagen fährt wird liebend gerne zum Sinterbelag greifen um Fading vorzubeugen. Mittlerweile gibt es Unmengen an 3rd Party Herstellern die dich mit Bremsbelägen nach Wahl versorgen.
Fazit
In den seltensten Fällen braucht ihr ein teures Upgrade eurer Bremse. Oftmals liegt der Schlüssel in Pflege, Service und punktuellen Upgrades. Wenn eure Bremse, von Werk aus nicht genug Power habt, dann folgt einmal unseren Tipps. In den seltensten Fällen passt die Scheibe zum Fahrergewicht und vollkommen unabsichtlich kann es dazu kommen dass die Bremse von Werk aus nicht ordentlich entlüftet ist.