Wir alle haben mindestens eine Person im Freundeskreis, die beim Thema E-Bikes allen Anstand vergisst, und direkt anfängt die fluchen wie ein Rohrspatz. Argumente wie „Das ist nicht die Essenz des Mountain Bikens“ oder „wo soll das denn Spaß machen“ fallen schnell und werden mit einem „Mich kriegt man nicht auf so ein Ding“ untermauert.
Zugegeben, zu den Anti-E-Bike Extremisten gehörte ich nun wirklich nicht. Trotzdem kam es mir nicht in den Sinn einmal zum E-Bike zu greifen. Stattdessen galt immer die Devise „Ich will es aus eigenem Antrieb schaffen“. Egal welches Fitnesslevel ich habe. Egal wieviel Zeit ich brauche. Wenn es nicht klappt hab ich einfach zuwenig Training,
Warum sollte man auch auf einen 23kg Hobel steigen, wenn man auch mit seiner 12kg schicken Racefeile aus Carbon auf den Trail könnte. „Die läuft bergab eh viel besser“. Viel besser war auch die Optik. Dieser hässliche Akku auf dem Unterrohr geht doch gar nicht.
Ähnlich ging es mir auch. Weder Optik noch Gewicht wollte in mein Bild eines Mountainbikes passen. Und obwohl ich auf der Eurobike jedes Jahr aufs Neue die Möglichkeit gehabt hätte, einen der Akkubetriebenen Boliden zu fahren, griff man doch lieber zum neuesten Farbmodell eines beliebigen Herstellers.
Zugegeben: Überall wollte ich über den Tellerrad schauen. Das Thema Ebikes kam nie vor.
Nachdem ich auf der Ebike Messe in Dortmund die Möglichkeit hatte mich intensiver mit dem Thema E-Bike auseinander zu setzen schwankte das Thema um. Und plötzlich hatte das Thema E-Bike seinen ganz eigenen Reiz bekommen. Denn mittlerweile ist das Spektrum der Hersteller enorm groß geworden. Dies gilt sowohl für Rahmen und Modelle als auch für das Herzstück des Antriebs.
„Egal ob Bosch, Brose oder Shimano. Im Prinzip sind doch alle gleich“
Eben nicht! Den Bosch Antrieb kannten wir bisher zur Genüge. Der Shimano Steps Antrieb hatte es mir jedoch angetan. Was man las und auf Bildern sah, weckte die Neugierde es mal auszuprobieren. Glücklicherweise hatte unser Testbike, das Focus JAM2, genau den gewünschten Shimano Steps Motor.
„Please start your Engine“. Mehr E-Bike feeling geht nicht. Der Akku ist wunderbar schlicht im Rahmen integriert und wird durch einen Startknopf am Oberrohr aktiviert. Wer im Vorfeld etwas Tuning betreiben möchte kann dies über die Hauseigene E-Tube App tun und die verschiedenen Modi anpassen. Wir waren mit der Werkseinstellung unterwegs.
Über das brilliante Farbdisplay kann man während der Fahrt erkennen in welchem Modus man sich befindet. Zudem sind noch Fahrdaten wie Durchschnittsgeschwindigkeit, Dauer, Uhrzeit uvm. abrufbar.
INSIDE the Shimano Steps
Aber warum macht es soviel Spass? Zugegeben, es liegt auch schon ein wenig am Rahmendesing von Focus. Allerdings ist der Shimano Steps Motor auch bei BMC, Canyon, Ghost, Scott Conway, Mondraker, Orange, GT und Orbea im Einsatz.
BMC, Orange, Mondraker und Obrea haben dabei ein ähnliches Rahmendesign wie das Focus JAM2.
Es ist allerdings das Zusammenspiel aus Ergonomie und Kraft. Der Antrieb ist kraftvoll und kann nach belieben via Software eingestellt werden. Shimano denkt dabei an die verschiedensten Fahrertypen. Wer im Sauerland oder dem Mittelgebirge unterwegs ist, stellt beispielweise den Trailmodus anders ein als jemand der täglich den Canadian Trail in Freiburg fährt.
Der Shimano Steps Motor unterstützt dabei mit 250W und einem Drehmoment von 70nm. Ordentlich Power die auch auf dem Trail in bei fiesen Steigungen für ordentlich Vortrieb sorgt. Die zwei angebotenen Akkus (Unterrohrbefestigung und integriert) können innerhalb von zwei Stunden auf 80 % und in fünf Stunden vollständig aufgeladen werden (Akkulebensdauer von 1.000 Zyklen).
In Sachen Ergonomie punktet der, aus dem Di2 System, bekannte Shifter. Er ist sowohl schöner als auch besser zu bedienen als die Bosch Elemente.
Spass auf dem Trail?
Um auf das Anfangsthema zurück zu kommen: Ich war nie ein großer Fan der klobigen Ebikes. Für mich bedienten Sie alle Klischees eines Rentner Mountainbikes.
„Man braucht kein Training um schnell zu den geilen Trails zu kommen“ oder „Was sollen die anderen bloß denken“ und natürlich das Todschlagargument „Warum sollte ich 4000€ für ein Bike was 20kg wiegt“
Natürlich gibt es eine Menge, gut dokumentierter, Vorteile die für das Ebike sprechen. Keiner von denen hat mich wirklich überzeugen können: Bis man selbst für längere Zeit auf dem E-Bike gesessen hat. Denn, soviel Negatives sich auch finden lässt, das E-Bike macht nicht faul!
Wer nicht gerade in einer Bikeregion mit ausgedehntem Trailnetz oder angrenzendem Bikepark wohnt, wird die Probleme kennen. Bevor es spassig wird, muss erstmal getrampelt werden bis man den Trail erreicht hat. Dementsprechend reichen Kraft und Zeit nur für 2-3 Abfahrten.
Was ist, wenn das E-Bike nicht dafür geschaffen wurde, Anstiege zu vereinfachen sondern dafür da ist um Reicheweite und Anzahl der Trails zu erhöhen? Was ist, wenn die Feierabend Runde mal eben 50km dauert anstatt 30km? Was ist wenn man in der Zeit sieben Trails schafft anstatt nur drei?
Es geht weniger darum, sich oder andere zu betrügen, sondern vielmehr darum, aus möglichst wenig Zeit, viel Erlebnis herauszuholen. Zugegeben, in einer Gruppe fühlt man sich dann doch etwas schlecht. Während meine Mitstreiter hechelnd und keuchend am Gipfel ankommen konnte ich entspannt warten.
Geht man alleine auf die Trails oder in einer E-Bike Gruppe wird das Ganze zu einer anderen Sache. Trotzdem darf man sich nicht auf die E-Bike-Power verlassen. So muss man sich die zusätzliche Kraft aus dem Akku gut einteilen, sonst endet die Tour zeitnah und das geheule ist groß.
Man muss sich darauf einlassen und natürlich auch den Shimano Steps Antrieb kennenlernen. Wer nur im Boostmodus unterwegs ist, wird ein eher kurzweiliges Vergnügen haben und dementsprechend unausgelastet sein. Die Kunst liegt in der Dosierung. Auch dann kommt der Trainingseffekt.
Letzten Endes ist es vollkommen egal ob E-Bike oder Normalo-Bike. Wer mit dem E-Bike eine 50km Tour fährt wird weniger Zeit benötigen aber dafür mehr Trails genießen können. Dass man nach einer E-Bike Tour nicht K.O. ist, ist ein Mythos.
Oder sagen wir es so: Dann hast Du nicht alles gegeben! Ein E-Bike macht dich nicht fauler als Du eh schon bist. Es lässt dich mehr entdecken!