Mit dem Bell Super 2R gelang der amerikanischen Firma Ende 2014 der große Wurf (Wir hatten den Bell Super 2R schon kurz vor der Eurobike im Schnelltest. Im Zuge des immer größer werdenden Enduro Booms wurde auch das Sicherheitsequipment angepasst. Zwar versuchen Hersteller schon zuvor eine Halbschale mit einem abnehmbaren Kinnschutz zu konstruieren. Scheiterten aber entweder am Design des Produktes oder an der Sicherheit. Oder an beidem.
Sei es auf dem Trail oder im Transfer zum Trail – ein Helm gehört für jeden Biker zum notwendigen Equipment. Schnellere Bikes und aufregendere Trails machen den Sport gefährlicher, so dass man in besonders ruppigem Gelände dann doch öfters mal zum Fullface greift. Im Endurosport besteht sogar auf den Stages eine Fullface Helmpflicht. Wer also in diesem Sektor aktiv ist, sollte jetzt aufpassen – wir haben den Alleskönner Bell Super 2R getestet.
Farblich liefert Bell jedes Jahr nach. Während man Anfangs mit 3 Farben startete ist in den letzten zwei Jahren die Anzahl an Farben auf insgesamt sechs angewachsen. Neu dazu gekommen sind dieses Jahr noch eine Womens Edition und, weil man bei Bell wohl einen Faible für Star Wars hat, zwei neue Star Wars Modelle im Stil des Kopfgeldjägers Boba Fett und als Stormtrooper. Wie von Bell gewohnt gibt es eine sehr granulare Größenabstufung um für jeden Topf auch einen Deckel zu finden.
Neu hingegen ist, dass der Bell Super 2R, ähnlich wie die Bell Super Modelle, mit MIPS ausgestattet ist.
Was zum Geier ist MIPS? Ein kleiner Exkurs
Hinter der schicken Abkürzung MIPS die Ähnlich flink über die Lippen gleitet wie SMS oder UCI verbergen sich vier Worte „Multi-Directional Impact Protection System“ – Schon jetzt sind wir Dankbar für MIPS, zumindest für die Abkürzung. MIPS kommt aus Schweden und wenn Schweden eins können, dann ist es Sicherheit.
Egal ob Volvo oder POC. In Schweden wird Sicherheit großgeschrieben. Auch im Straßenverkehr, so sind mehr als 2/3 aller Stockholmer mit Helm auf dem Rad unterwegs – Deutschland hängt mit 1/4 aller Radfahrer deutlich hinterher.
Doch was genau ist MIPS jetzt eigentlich? Im Zuge der, wie schon angesprochenen, schnelleren Bikes wächst auch das Risiko sich zu verletzen. Normale Helme sind nur dafür ausgelegt einen direkten Einschlag wegzustecken. Nicht jedoch einen Einschlag während man sich in der Rotationsbewegung befindet. An diesem Punkt setzt MIPS an und baut eine Innenschale in den Helm, so das die Rotationsbewegung nicht schlagartig gestoppt wird.
Mittlerweile hat jeder Namenhafte Hersteller mindestens einen Helm im Sortiment der mit der schwedischen MIPS Technologie ausgerüstet ist. Das macht Lust auf mehr.
Erster Eindruck des Bell Super 2R
Nicht Fisch, nicht Fleisch mag man denken. Dennoch vereinigt der Bell Super 2R das besten aus beiden Welten. Wie vom Bell Super bekannt, ist der hintere Teil des Helmes sehr tief gezogen um auch bei den waghalsigsten unkontrollierten Absteigemaneuvern höchste Sicherheit zu bieten.
Von der Bauform weicht Bell nicht groß von dem Klassiker von 2013 ab. Der Bell Super bildet heute noch die Basis für den Bell Super 2 und den Bell Super 2R. So bleibt man Form und Funktion des Klassikers Weitestgehend treu. Neu ist, dass sich das Kopfband auf 3 Statt wie vorher 2, verschiedene höhen einstellen lässt. Geblieben ist das, von Bell bekannte TAG-Fit System, welches dafür sorgt, dass man de Helm exakt auf die Kopfgröße anpassen kann.
Weiterhin an Bord sind die bekannten Features von Bell wie der Goggle Guide und der integrierte GoPro Mount. Die vom Bell Super und Super 2 bekannte gute Belüftung ist auch weiterhin gewährleistet.
Optisch gut verpackt haben die Produktdesigner von Bell, allen voran Hilgard Muller, die Klippschnallen um den Kinnbügel zu montieren. Das Gesamtbild des Helms wird nicht gebrochen, sondern geht eher fließend ineinander über. Einziger Wehrmutstropfen: Der Bell Super 2r hat keine Downhill Zertifizierung.
Trailcheck: Bell Super 2R
Die Endurohausrunde bietet sich bestens an um die Eierlegende Wollmilchsau von Bell mal richtig hart ranzunehmen. Steile Abfahrten, gepaart mit längeren Anstiegen werden dem Bell Super 2R alles abverlangen, so hoffen wir. Die knapp 30km Tour mit ihren etwa 800 Höhenmeter ist genauso wandlungsfähig wie der Bell Super 2R. Ideal um also die Vorzüge eines Helmes mit abnehmbaren Kinnbügel zu testen.
Uphill
Der Bell Super 2R entpuppt sich als vollwertige Halbschale. Es ist also nicht halb Fisch halb Fleisch. Sondern schonmal komplett Fisch. Große Unterschiede zum Bell Super sind nicht festzustellen. Durch die vielen Einstellmöglichkeiten am Helm selbst, erreicht man für so gut wie jeden Kopftypen die richtige und vorallem angenehme Passform.
Gerade im Sommer bietet der Bell an den Schläfen noch genügend Spielraum um eine Sportbrille zu tragen – dies dürfte auch gerade Menschen mit Sehschwäche in die Karten spielen. Denn oftmals ist der Helm so eng geschnitten, dass kein Platz für Brillenbügel ist oder wenn, dann nur mit dem Ergebniss das man unangenehme Druckstellen davonträgt. Wer schon einmal mit einem Fullface Helm Uphill gefahren ist, wird wissen, wie unglaublich warm es wird, wie sehr man nach Luft ringt, da im Uphill so gut wie keinerlei Luftzirkulation im Helm und am Kinn stattfindet.
Der Luxus den Kinnbügel einfach im Rucksack zu verstauen ist dabei einfach wunderbar. Aprospros Belüftung: Dank der Polsterung im Helm und den Aussparungen behält man im Uphill einen kühlen Kopf. Sicher, man Schwitzt, aber es ist ertragbar, gerade wenn man bedenkt, dass der Bell Super 2R mit seinen 414g kein Leichtgewicht unter den Halbschalen ist.
Downhill
Kurz vor dem Traileinstieg wird man dann doch genötigt eine kurze Verschnaufpause einzulegen. Der Kinnbügel muss angebaut werden. Selbst für Grobmotoriker ist dies ein leichtes Unterfangen. Man kann es sich wie einen Transformer vorstellen – nur als Mountainbike Helm. Erst eine schüchterne Halbschale, dann, wenige Handgriffe später, ein agressiver Fullface Helm der nach ruppigen Trails lechzt. Wer allerdings denkt, nur die Halbschale wäre mit Features vollgepackt, der irrt.
Die Wangenpads sind um 10mm verkleinerbar und das beste Feature überhaupt am Bell Super 2R ist, dass man ihn nicht absetzen muss um den Kinnbügel zu montieren. Allerdings geht dies nicht so leicht von der Hand, wie von Bell beschrieben. Es erfordert etwas Routine aber wenn die Funktion dann verinnerlicht ist, “fluppt es” wie man im Ruhrgebiet so schön sagt.
Neben der Normalen Sportbrille funktioniert der Bell Super 2R auch mit jeder handelsüblichen, dank Goggle Guide, Goggle einwandfrei. Leider muss man hier erwähnen, dass man sich entscheiden muss. Goggle Guide oder Visor. Auf dem Trail macht sich schnell ein erweitertes Gefühl von Sicherheit breit. Der zusätzliche Schutz ist im Unterbewusstsein deutlich merkbar. Merkbarer als auf dem Trail an sich – Dort behindert nichts, stattdessen merkt man nun die Belüftung.
Der Kopf wird ordentlich runtergekühlt. Am Ende des Trails macht sich Faulheit und Neugierde breit. Wie ist es mit der Belüftung im Uphill? Im vergleich zur Halbschale ein wenig schelchter, im vergleich mit einem Downhill Fullface Helm wirkt der Bell Super 2R jedoch als hätte man eine eingebaute Klimaanlage.
Fazit Bell Super 2R
Mit 250€ Listenpreis ist der Bell Super 2R sicher keiner Schnäppchen. Bedenkt man allerdings die Vielzahl an Technologien die in dem Helm verarbeitet sind, wird schnell klar dass er sein Geld mehr als wert ist. Passform und Sitz sind, dank der vielen Einstellmöglichkeiten, optimal. In unserem Test hatten wir weder mit dem Kinnbügel noch mit der Halbschale ansich irgendwelche Probleme. Wer schon vom Bell Super begeistert war, wird den Bell Super 2R lieben. Mehr Helm kann man für sein Geld nicht bekommen!