Vor etwas mehr als einem Jahr präsentierte Schwalbe eine echte Neuheit im Reifen und Schlauchsektor. Das Schwalbe Procore Doppelkammer System sorgte für viel Diskussionsstoff unter Mountainbikern egal welcher Façon.
Der Reifen ist wohl der wichtigste, aber dennoch am meisten verkannte Part am Mountainbike. Der geneigte Mountainbiker investiert tausende von Euro in Federelemente oder Carbonparts. Der Reifen an sich wird dabei wenig beachtet. Mit dem Schwalbe Procore Doppelkammer System rückt der deutsche Pneu- und Schlauchhersteller den Reifen als einzigen Kontaktpunkt zwischen Rad und Fahrer in den Fokus. Viel Technik oder nur Marketing?
Schwalbe hat sich bei der Entwicklung des Doppelkammersystems mit dem deutschen Hersteller Syntace zusammen getan und auf der Eurobike 2014 erstmals das Procore System vorgestellt.
Warum Schwalbe Procore?
Auch Tubeless Systeme haben ihre Grenzen. Nur zu oft bekommt man als Fahrer dies zu spüren. Ungewollter Luftverlust in den Kurven durch das Walken des Reifens kann man nur mit viel Druck im Reifen ausgleichen. Da durch verliert man an Traktion. Man hat also die Wahl zwischen Not und Elend. Genau bei diesen Problemen setzt das Schwalbe Procore System an.
Das Doppelkammersystem Procore setzt dabei auf den Einsatz von zwei voneinander getrennten Luftkammern, die mit verschiedenen Luftdrücken gefahren werden. Die kleinere Procore Kammer sitzt direkt in der Felge und presst bei einem Luftdruck von 4-6bar den Mantel an das Felgenhorn.
Dadurch ist es möglich, die Äußere Luftkammer mit sehr viel weniger Druck zu fahren als es bei Tubeless System möglich wäre. Das Resultat bedeutet in der Theorie eine ordentliche Portion mehr Grip und natürlich bessere Dämpfungseigenschaften.
Fakten, Fakten, Fakten
- Zwei seperate, voneinander getrennte Luftkammern
- kompatibel mit Reifen ab 2,25 zoll
- kompatibel mit Felgen die mindestens 23mm Maulweite haben
- Vorgegebener Luftdruck in der Innenkammer: 4-6 bar
- Vorgegebener Luftdruck in der Aussenkammer: 0,8-1,5 Bar
- 200g pro Laufrad exkl. 60ml Dichtmilch
- 179€ UVP
Erster Kontakt zum Schwalbe Procore System
Schwalbe liefert das Procore Set mit allem, was man für die Montage und den Umbau benötigt. Einzige Voraussetzung ist eine Felge mit mindestens 23mm Innenbreite aufweist. Bereits vor dem Release geisterten Bilder durchs Netz, in denen die Felge aufgebohrt werden musste, um die zusätzliche Luftkammer zu befüllen. Mit der Finalen Version hat Schwalbe das eindeutig eleganter gelöst.
Auch wenn die Montage auf den ersten Blick durchaus kompliziert zu sein scheint geht die Installation des Schwalbe Procore Systems recht leicht von der Hand, sobald man sich erst einmal mit der Funktion auseinander gesetzt hat.
Im Prinzip verläuft die Montage ähnlich wie bei einem ganz normalen Tubeless System. Mit dem einzigen Unterschied, dass man innerhalb des Tubeless Systems noch ein Tube System hat. Wichtig ist allerdings zu beachten, dass die Dichtflüssigkeit DocBlue nicht über das Ventil eingefüllt wird. Alles weitere erklärt euch dann aber Schwalbe Factory Fahrerin Steffie Marth.
Ride Progressive – Die Vorteile
- Verbesserter Durchschlagsschutz
- Mehr Traktion dank geringerem Luftdruck in der Aussenkammer
- Kein Burping/Walken
- sehr gute Notlaufeigenschaften
- bessere Eigendämpfung (ähnlich wie bei Plus Size oder Fat Reifen)
Auf dem Trail mit dem Schwalbe Procore System
Schon die Montage ging, dank der breiten Syntace W35MX Felgen sehr leicht von der Hand. Alles in allem benötigten wir gerade einmal 30 Minuten für die Montage beider Laufräder mit dem Schwalbe Procore System. Das ist schon einmal Rekordverdächtig. Ob sich das System auch auf dem Trail bewährt? Zeit um das Doppelkammersystem auf die Probe zu stellen.
Während unseres Tests waren wir, wie schon angesprochen, mit den Syntace W35MX Laufrädern und den neuen Fat Albert Reifen aus dem Hause Schwalbe unterwegs. Keine Sorge, Freunde anderer Reifenhersteller können genauso einfach mit dem Schwalbe Procore System arbeiten. Einzige Voraussetung ist, dass der Reifen Tubelessfähig ist.
Schon die ersten trailigen Meter fühlen sich auf dem Procore System echt gut an. Im Vergleich zu Schlauchreifen ist die Eigendämpfung viel besser. Spürbar weicher und geschmeidiger ist das Gefühl auf dem Trail, gerade bei kleinen und schnelle Stößen wird nicht mehr das Losbrechmoment der Gabel gefordert, sondern der Reifen dämpft die Minimalstschläge auf ein nicht mehr Wahrnehmbares Minimum ab. Beeindruckend, wenn man direkt weicher unterwegs ist.
Die Traktion ist nicht minder Beeindruckend. Vielmehr hat man das Gefühl auf einem Plussize Reifen unterwegs zu sein. Durch den sehr geringen Luftdruck vergrößert sich die Auflagefläche des Reifens um ein Vielfaches. Plus size eben! Man merkt sofort wie sich beim Bremsen die Stollen in den Boden fressen. Infolgedessen ist der Grip auf lockerem Waldboden einfach so gut, dass man das unweigerliche Gefühl hat am Boden zu kleben.
Im Bikepark indessen offenbart sich der Einsatz von Schwalbes Procore System als unentbehrlich. Schnelle hochgezogene Anlieger, in denen man nur zu gerne Druck aufs Hinterrad bringt um aus der Kurve zu schießen sind das Spezialgebiet des neuen Doppelkammersystems. Kein Wegknicken mehr, wie man es bei Tubelesssystemen hatte.
Doch so schön die Performance auf dem Trail auch ist, umso nervenaufreibender ist die Pumperei neben dem Trail. Wir hatten mit dem Schwalbe Procore System oftmals das Problem, dass die Luft nicht länger als 3 Tage im System blieb.
Fazit zum Schwalbe Procore System
Lieferschwierigkeiten wecken bekanntermaßen Begehrlichkeiten. So war es auch bei Schwalbes Procore System der Fall. Dementsprechend groß war die Nachfrage nach dem Produkt. In der Testversion waren schon Fahrer wie Johannes Fischbach oder viele andere deutsche DH-Profis unterwegs. Und genau da kommt der Knackpunkt.
Während das Schwalbe Procore System für viele DH Fahrer sicher sinnvoll ist, macht es für Endurofahrer in unseren Augen weniger Sinn. Die 400g mehrgewicht sind der eine Faktor, zum anderen hatten wir in unserem Testzeitraum sehr oft den Fall, dass das System Luft während der Tour verlor. Nachdem wir Fehler in der Montage ausschließen konnten, lag es letzten Endes am Ventil. Für den DH Profi oder Amateurfahrer, der allerdings nur 5 Minuten braucht um seinen Run, ohne Probleme herunterzubringen, macht das System deutlich mehr Sinn.